Scheiß drauf, wir machen’s illegal! – Lars Vollmer und Mark Poppenborg diskutieren (Tools4AgileTeams 2021)

Was sich zunächst anhört wie der Titel eines lässigen Roadmovies mit Jason Statham, entpuppt sich tatsächlich als ein hochaktuelles Phänomen, das aufzeigt, wie weit die Schere zwischen Managementtheorie und Wertschöpfungspraxis in vielen Organisationen auseinanderklafft. In ihrer impulsreichen, unkonventionellen Keynote auf der Tools4AgileTeams-Konferenz 2021 haben Lars Vollmer und Mark Poppenborg sich diesem Dilemma, dem Status quo und möglichen Auswegen aus der Misere gewidmet. Lars und Mark gehören zu den renommiertesten Experten rund um die neue Arbeitswelt, moderne Unternehmensführung und Organisationsentwicklung.

Lars Vollmer und Mark Poppenborg auf der Tools4AgileTeams 2021

Übersteuerung bei komplexen, dynamischen Problemen

Das Projektmanagement "gegen" die Datenschutzbeauftragten – in wohl jedem größeren Unternehmen ist dieser Konflikt schon einmal aufgetreten; in der Corona-Krise mit ihren neuen Voraussetzungen wie verteiltes Arbeiten, Home-Office und Cloud-Tools vielleicht sogar verstärkt und gehäuft.

Dahinter steckt ein klassischer Mechanismus, der immer dann auftritt, wenn es ein Problem gibt: Die Organisation will steuern. Steuerung findet überall im Unternehmen statt und basiert auf der Verteilung von Wissen. Dabei sind Regeln konserviertes Wissen unter der Annahme, dass das Wissen zur Problemlösung in der Regel steckt und die Regel das Problem löst.

Das Dilemma: Damit dieser Mechanismus wirken kann, muss man es mit einem Problem zu tun haben, das auf Basis von Wissen gelöst werden kann. Doch bei komplexen, dynamischen Problemen funktioniert das nicht, denn sie sind ja neu und unikal; die Lösung ist unbekannt und die eingerichteten Regeln passen nie zum komplexen Problem.

Und wie reagieren viele Organisationen auf komplexe Probleme? Die Beobachtung von Lars und Mark: Gerade dann wächst der Steuerungsreflex im Unternehmen – und es kommt zu Übersteuerung.

Die Hinterbühne, auf der Probleme gelöst werden

Wertschöpfung in Unternehmen ist übersteuert, wenn Mitarbeiter in die Illegalität getrieben werden – und damit führen Lars und Mark das Titelthema ihrer Session auf der Tools4AgileTeams 2021 ein. Dabei gibt es eine wichtige Differenzierung, die auf den Soziologen Luhmann zurückgeht: Die Unterscheidung zwischen brauchbarer und juristischer Illegalität, wobei brauchbare Illegalität nötig für die Wertschöpfung ist und auftritt, wenn die Steuerung nicht zum Problem passt. Im Unternehmen entsteht eine Hinterbühne, auf der Probleme gelöst werden, während auf der Vorderbühne Theater gemäß der Regeln gespielt wird.

"Wie machen wir das denn nun wirklich?" Mit dieser Frage beginnt die Hinterbühne, so Lars und Mark. Man findet einen Weg, der "besser" ist – oder von dem man zumindest glaubt, dass er besser ist. Und man spricht nun lieber nicht darüber, sondern lässt den Eindruck stehen, dass es genauso geklappt hat wie auf der Vorderbühne geplant.

Lars und Mark vertreten die These, dass es kein Unternehmen gibt, das ohne Hinterbühne auskommt, da es sonst keine komplexen Probleme lösen kann. Gäbe es in einer traditionellen Organisation keine Hinterbühne, wäre sie schon tot. "Dienst nach Vorschrift" ist heute eine Beleidigung, weil alle wissen, dass es nicht mehr ausreicht, sich nur an die Regeln zu halten. Und das Gegenstück zu "Dienst nach Vorschrift" ist eben "Scheiß drauf, wir machen’s illegal!"

Brauchbare Illegalität als Drahtseilakt

Dieser Ansatz birgt allerdings Risiken, denn brauchbare Illegalität als Notwendigkeit für die Wertschöpfung des Unternehmens ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Gerade im Hinblick auf das Ausgangsbeispiel besteht das Risiko der tatsächlichen Datenschutz-Illegalität – schließlich reißen die Diskussionen um Datenschutz in der Cloud, um Server in Übersee und um die Datenschutz-Richtlinien des einen oder anderen Platzhirschs nicht ab und führen zu starker Verunsicherung quer durch alle Branchen. Und je stärker das Unternehmen steuern will und tatsächlich übersteuert, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit von juristischer Illegalität.

In ihrer großartigen Keynote plädieren Lars und Mark dafür, die Existenz von Vorder- und Hinterbühne in jedem Unternehmen als Tatsache zu akzeptieren, am Dogma der Effizienz zu rütteln und immer die Frage zu stellen: Welchen Sinn gibt es in diesem Unsinn? Hier ist das Video zum Vortrag:

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Übrigens: Die nächste Ausgabe der Tools4AgileTeams ist bereits terminiert! Am 1. und 2. Dezember 2022 wollen wir die elfte T4AT-Konferenz begehen und können dann hoffentlich ein Hybrid-Event aus Präsenz- und virtueller Veranstaltung anbieten. Save the Date!

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