Problematisch wird es, wenn die Meetings nicht mehr aus zwei oder drei Personen bestehen, sondern fünf, zehn oder noch mehr Leute am Tisch sitzen. Da wird vorsichtshalber mal jeder eingeladen, der irgendwie betroffen sein könnte. Man will ja keinem auf die Füße treten. Und anschließend sollen ja auch alle hinter der Entscheidung stehen. Also sprechen wir lieber eine Einladung zu viel als eine zu wenig aus. Ganz genau – das wollte ich auch gerade sagen: Es ist quasi ein Pendant zum klassischen E-Mail-CC, das meistens genauso unnötig ist.

Die Chefs bekommen auf diese Weise so viele Einladungen, dass sie jeden Tag mit 48 Stunden Meetings füllen könnten. Die Leute hechten von einem Meeting zum nächsten. Und wenn der Chef dann kommt, fängt die Besprechung noch mal von vorne an. Und eigentlich ist sie auch vorbei, wenn der Chef wieder geht. Aber wir sitzen trotzdem länger zusammen. Meetings enden eigentlich nie vorzeitig. Sie ziehen sich wie Kaugummi. Im Zweifel schweifen wir vom Thema ab und reden über Verwandtes oder Tagesaktuelles.

Aber am allerschlimmsten an diesen Elefantenrunden mit viel zu vielen Leuten ist, dass sie in der Regel überflüssig wie ein Kropf sind. Es kommt nur sehr selten zu einem hilfreichen Austausch. Die Energie im Raum ist höchstens bei einzelnen Personen hoch. Besondere Talente kommen nicht zum Tragen. Die Lauten behalten in solchen Settings eher die Oberhand.

Das hört sich für Sie ein bisschen überzeichnet an? Meine Erfahrungen und die vieler Kollegen sagen mir: Das gibt es häufiger, als es den Unternehmen lieb sein kann. Die Nettoproduktivität, die durch Meetings entsteht, dürfte in einigen Organisationen durchaus negativ sein.

Für die meisten Leute sind solche Situationen einfach nur nervig und frustrierend. Führungskräfte und Mitarbeiter hassen Meetings gleichermaßen. Da schließe ich mich ausdrücklich mit ein. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Berater und “Verkäufer” habe ich Hunderte solcher Veranstaltungen erlebt. Oft genug bin ich mit Kopfschmerzen und einem Loch im Bauch aus den Meetings rausgekommen. Man vergisst zu trinken, etwas essen geht meist gar nicht, die Luft ist schlecht. In manchen Verkaufssituationen hätte ich vermutlich nicht mal ans Atmen gedacht; gut, dass es ein Reflex ist. Aber das ist wohl eine Spezialität meiner Arbeitsweise: Ich kann Meetings überhaupt nur aushalten, wenn ich viel Energie einbringe. Das ist aber gerade in Elefantenrunden nicht immer hilfreich und wirksam.

Meine Konsequenz daraus: Heute meide ich Meetings, wo immer ich kann. Das fällt mir leichter als manchen Kollegen, weil ich Geschäftsführer und Gesellschafter bin. Aber ich behaupte, dass wir in unserem Unternehmen eine Kultur aufgebaut haben, in der man auch überleben kann, wenn man nicht ständig an Besprechungen teilnimmt.

Man sieht mich also in Meetings nicht. Damit will ich nicht sagen, dass es bei uns keine Meetings gibt. Wir haben viele davon – und einige sind wahrscheinlich genauso zwecklos wie die, die ich oben beschrieben habe. Es gibt aber auch viele sinnvolle Treffen. 

Eine Grundregel sollte darin bestehen, nur wenige Teilnehmer zu haben. Mit zwei bis drei Personen funktioniert es in der Regel auch ohne Vorbereitung ganz gut. Wenn die Gruppen größer sind, empfehle ich dringend Rituale und Disziplin. 

Wenn 15 Menschen unvorbereitet 90 Minuten zu einer Besprechung mit dem Agendapunkt “Messeplanung” zusammenkommen, entstehen meist weniger Ergebnisse, als zwei oder drei Leute in 25 Minuten erarbeiten könnten.

Was das eigentlich mit einem digitalen Intranet zu tun hat? Berechtigte Frage! Es hat eine ganze Menge damit zu tun, denn das Fehlen eines ordentlichen Intranets und einer Kultur, die Dokumentation, Transparenz und Teilen fördert, erzeugt den ganzen Wahnsinn aus meiner Sicht erst.

Bei uns im Unternehmen werden Meetings im Vorfeld geplant. Wir legen eine Wiki-Seite im Intranet an und stellen dort die Agenda zusammen. Jeder Meetingteilnehmer ist eingeladen, dazu beizutragen und sich einzubringen. Themen können im Vorfeld ergänzt, verändert oder sogar erledigt werden. Unterlagen lassen sich mit wenigen Klicks direkt im Kontext hinterlegen.

In unserem Buch Enterprise Wikis (siehe “Literaturempfehlungen”) haben wir noch dazu geraten, im eigentlichen Meeting dann gemeinsam an diesem Agendadokument weiterzuarbeiten. Technisch funktioniert das auch, weil moderne Lösungen gleichzeitiges Bearbeiten unterstützen. Wir machen das aber nicht mehr. Bestenfalls gibt es eine Person, die im Wiki protokolliert, während das Meeting läuft. Andere können im Nachhinein bei Bedarf beispielsweise Ergänzungen vornehmen.

Produktiv sind High-Energy-Meetings. So wird das bei uns zumindest genannt. Das klingt für Sie ein bisschen esoterisch? Naja, lassen Sie sich von der Bezeichnung nicht beirren. Es ist jedenfalls enorm praktisch. Die Idee dahinter ist einfach die, dass die Energie der Teilnehmer für das gerade behandelte Thema hoch sein soll. Mit Energie ist hier gemeint, dass Menschen sich aktiv und bewusst an einem persönlichen Treffen beteiligen und mitarbeiten. Was passiert, wenn die Energie niedrig ist, kennen Sie sicher: Man sackt in seinen Stuhl und schaltet gedanklich ab oder checkt vielleicht sogar E-Mails und Sofortnachrichten. Man ist eigentlich nur noch anwesend, aber nicht dabei.

Wer keine Energie für das Thema hat, soll bei uns gar nicht erst kommen oder dann gehen, wenn er seine Bedenken geäußert hat. Und das funktioniert auch gut, weil alles dokumentiert wird und transparent ist. Ich kann vorher sehen, worum es geht, und ich sehe danach, was besprochen wurde. Nur in den seltensten Fällen werden in unseren Meetings Beschlüsse gefasst.

Es kommt schon mal vor, dass ich die Richtung, die in einem Meeting anvisiert wird, ändern will. Dann stelle ich meine Ansicht dar und wir fangen an zu diskutieren. Oft entstehen aus diesem Konflikt heraus persönliche Einzelgespräche, bei denen mir die Kollegen darlegen, was sie sich gedacht haben. Wenn wir uns auf nichts einigen können, was nur sehr selten vorkommt, wird dafür ein weiteres Treffen vereinbart. Das mag ineffizient erscheinen. Aber im folgenden zweiten Meeting haben wir dann meistens alle wieder genug Energie, um unsere Ideen einzubringen und Lösungen zu finden.

Während ich das schreibe, merke ich, dass hier einige kulturelle Grundlagen mitschwingen, die bei uns gegeben sind: Was relevant ist, wird dokumentiert, und damit für alle im Unternehmen transparent gemacht. Entscheidungen werden nicht in Meetings getroffen. Und Entscheidungen sind nie endgültig, sondern haben Experimentcharakter; sie lassen sich ändern und korrigieren. Über diese kulturellen Grundlagen könnte ich Ihnen noch viel erzählen. Aber lassen Sie uns mal bei der Technologie, den Werkzeugen und ihrer Nutzung bleiben. Die organisatorischen Weichenstellungen können Sie bei Lars Vollmer, Niels Pfläging, Gerhard Wohland und vielen anderen besser nachlesen (siehe “Literaturempfehlungen”).

Wenn Transparenz herrscht und in Meetings keine Entscheidungen getroffen werden oder diese Entscheidungen leicht revidierbar sind, dann ist es auf einmal auch möglich, Meetings fernzubleiben. Das führt dazu, dass es bei uns eben auch Meetings gibt, an denen nur sehr wenige oder manchmal sogar zu wenige Personen teilnehmen. Viele interessieren sich einfach nicht für die Thematik. Sie haben nicht genug Energie dafür und greifen lieber nur dann ein, wenn sie feststellen, dass irgendetwas aus dem Ruder läuft. Solange sich die Veränderungen im Rahmen meiner Wünsche bewegen, kann ich als Mitarbeiter ja auch die Kollegen einfach mal machen lassen.

Damit bin ich bei einer weiteren wichtigen Grundlage unserer Kultur: Bei uns trauen die Mitarbeiter und Teams einander zu, dass sie gute und sinnvolle Entscheidungen treffen. Und sie sind offen für Kritik und Veränderungen, auch wenn diese vermeintlich spät eingebracht werden. Die Realität zeigt mir jedenfalls ganz deutlich, dass die meisten Probleme in unserem Unternehmen von den direkt betroffenen Menschen viel systematischer, analytischer und nachhaltiger bearbeitet und gelöst werden, als ich das als Geschäftsführer mit meinem beschränkten Zeitkontingent könnte. Die Kollegen sind gut informiert, fühlen die Konsequenzen von Entscheidungen selbst, investieren mehr Zeit in die Entscheidungsvorbereitung und Abwägung und gleichen damit in den allermeisten Fällen locker aus, was ich ihnen vielleicht an Erfahrung voraus habe.

Es ist übrigens auch sehr zeitsparend, wenn ich mich als Führungskraft einfach zwischendurch auf einer Wiki-Seite schnell über das aktuelle Konzept, die Argumente und die geplanten Schritte informiere und feststelle, dass das alles gut passt und teilweise sogar besser ist, als ich es selbst erdenken könnte. Beim nächsten Treffen in der Kaffeeküche kann ich die Kollegin oder den Kollegen ansprechen, meine Zustimmung und Dankbarkeit für die Konzepte zum Ausdruck bringen – und mehr ist nicht nötig.



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Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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