In unserem Intranet sind noch weitere Elemente eingebaut, die Transparenz, Zusammenarbeit und Miteinander verbessern sollen. Dazu gehört eine anonyme Zufriedenheitsumfrage, an der alle Intranet-Nutzer teilnehmen können. Hier sollte ich erwähnen, dass in unserem Intranet wirklich nur Mitarbeiter aktiv sind. Für Externe betreiben wir ein separates System: das Extranet. Unser internes System ist durch eine Firewall nach außen geschützt.

Die Kollegen können in diesem System auf einer Skala von eins bis fünf ihre Zufriedenheit mit dem Team und mit dem Unternehmen darstellen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit zu beschreiben, was die Stimmung negativ oder positiv beeinflusst hat. Hier ist ein Screenshot der Abstimmungsmaske:


Damit ein Nutzer die Ergebnisse ansehen kann, muss er das Formular ausfüllen. Etwa ein Drittel unserer Leute beteiligt sich an dieser 14-tägigen Umfrage. Nach weiteren 14 Tagen verfällt die eigene Abstimmung wieder.

Die Ergebnisse sehen für unser Unternehmen so aus:

Für diese Momentaufnahmen gibt es auch eine Zeitreihenanalyse: 

Anonyme Schmierfinken? 

Ich habe eben kurz darüber nachgedacht, ob ich dieses Element wirklich mit Ihnen teilen sollte. Jedenfalls dürfen Sie es nicht als uneingeschränkte Empfehlung ansehen. Wir hatten gerade zu Beginn richtig große Herausforderungen mit diesem Format. Im Gedächtnis ist mir der Fall einer Kollegin geblieben, die gerade eine Führungsrolle übernommen hatte. Etwa eine Woche später schrieb jemand in der Umfrage anonym den Satz: “Abteilungs-PO (für Product Owner) ist eine Fehlbesetzung.” 

Diese und ein paar ähnlich gelagerte Rückmeldungen zu anderen Themen ermöglichen aufgrund der Anonymität gar keine Diskussion. Und das hat dazu geführt, dass ich dieses Werkzeug anfangs stark abgelehnt habe. Ich dachte mir: Wer zu seiner Meinung nicht persönlich und mit seinem Namen stehen kann, hat keine relevante Meinung. Es hat sich manchmal so angefühlt, als würden wir als Organisation die hässlichen Graffitis nächtlicher Trunkenbolde wegputzen. Keine schöne Aufgabe. Und da gerät man durchaus in die Versuchung, diese Plattform beziehungsweise die verursachende Anonymität einfach abzuschaffen.

Diese Zufriedenheitsumfrage sorgt bei uns bis heute für Diskussionen. Und auch wenn ich vereinzelte anonyme Zwischenrufe mittlerweile ganz gut aushalten kann und sie durch die Veränderung der Fragestellung zudem noch seltener geworden sind, ist die Anonymität immer wieder ein Grund für Kopfschütteln und Frust. 

Eine häufige Frage lautet zum Beispiel: Warum binden wir uns das ans Bein, wenn wir doch genauso gut einfach die Anonymität auflösen könnten? Ich spreche dieses Werkzeug hier an, weil ich vermute, dass Sie sich in Ihrer Organisation eher früher als später ähnlich gelagerten Fragen zu anderen Themen gegenüber sehen werden: Warum sollten wir im Intranet ein Wiki einführen und uns die Last aufbürden, diese neue Form der Zusammenarbeit zu etablieren, wenn wir die Aufgabe doch auch ganz einfach mit einer Mobile App und schönen News der Geschäftsführung abfrühstücken könnten? Wer macht sich freiwillig zusätzliche Arbeit und Stress?

Grundsätzlich bin ich ein Freund iterativer Vorgehensweisen und kleiner Aufgaben. Es spricht gar nichts dagegen, erst mal nur mit den News und der App zu starten und die höheren und eher transzendenten Formen der Zusammenarbeit, die wirklich das Miteinander und die Transparenz im Unternehmen ändern, später anzugehen. Das halte ich sogar für richtig. Viele unserer Kunden machen das so. Sie sollten halt nur darauf achten, dass ein System nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist, wenn Sie diese kleinen und einfachen Schritte abgewickelt haben.

Für uns als Unternehmen ist diese anonyme Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit vermutlich genau die richtige Herausforderung gewesen. Intern sprechen wir von Ambiguitätstoleranz, wenn es darum geht, offensichtliche Widersprüche tolerant auszuhalten. Einfach ist das nicht. Da schreibt jemand etwas, was aus meiner Sicht eine Kombination aus frech, falsch und schädlich ist. Und als Unternehmen propagieren wir diese Meinung auch noch, indem wir sie prominent auf der Intranet-Startseite anzeigen. Das ist doch verrückt, oder? So etwas würde keiner unserer Kunden jemals zulassen.

Und doch hat es viele positive Effekte. Ich kann mir täglich darüber Gedanken machen, was denjenigen dazu bewegt hat, solche Dinge zu schreiben. Das macht mir keinen Spaß. Und ich ertappe mich oft dabei, genau diese Aktivität als Zeitverschwendung anzusehen. In gefühlt 80 Prozent der Fälle verstehe ich aber nach ein paar Tagen, wie der Kommentar vermutlich zustande gekommen ist. Ich verstehe dann auch, dass die vermeintliche Schmiererei aus Sicht des Verfassers ein mehr oder weniger konstruktiver Versuch ist, eine Veränderung anzuregen. Natürlich würde die Person das so nicht machen, wenn ihr Name darunter stünde und sichtbar wäre. 

Doch darin steckt auch der Wert der Sache: Wir bekommen Feedback, das wir unter anderen Umständen nicht erhalten würden, und können damit arbeiten. 

Wie gesagt: Wer kein Feedback hören will oder bei wem eh klar ist, was die aktuellen Herausforderungen und Themen sind, wird so ein Instrument nicht anleiern wollen.

Unsere anonyme Zufriedenheitsumfrage hat mir viel Ambiguitätstoleranz beigebracht. Ich kann jetzt viel besser als früher Dinge einfach mal im Raum stehen lassen. Ich muss nicht immer sofort rufen: “Halt! Das ist falsch! Das kann man so nicht sehen!” Und in der Regel sind es ja Meinungen, die geäußert werden. Die sind immer wahr. Vielleicht sind sie manchmal boshaft motiviert. Vielleicht sind sie unvollständig oder unlogisch. Sie könnten auch ungünstig oder bewusst provokativ formuliert sein.

Aber als Organisation und auch als Person an sich die Offenheit zu haben, das auszuhalten, ist aus meiner Sicht gesund und stärkt die Resilienz. Man muss nicht jedem Trend hinterherlaufen und man kann auch einem Schlamassel mit einer gewissen Verwundbarkeit begegnen, ohne als Verlierer vom Platz zu gehen.

Ja, ich räume es freimütig ein: So eine Umfrage ist etwas grenzwertig. Und auch wir befinden uns noch in der Experimentierphase. 

Es ist ein bisschen so wie mit der Milchglasfolie. Die Dinge entwickeln sich anders als man denkt. Es mag Ihnen einen Eindruck vermitteln, wie wir bei uns Experimente gestalten. Und das Risiko ist nun wirklich nicht besonders hoch. Irgendwer kotzt sich aus und es steht ein paar Tage im Intranet, wo andere es lesen können. Meine Güte!

Wir haben inzwischen übrigens durchaus eine Art Zensur eingefügt. Sämtliche Einträge werden automatisch bei unseren Agile Coaches vorbeigeschickt, die Beiträge per Klick aus der Zufriedenheitsumfrage entfernen können. Das soll aber nur geschehen, wenn es persönliche Angriffe sind. In den letzten zwölf Monaten war das kein einziges Mal der Fall. Vielleicht sind wir besonders. Ich vermute allerdings eher nicht. Stattdessen fehlt es in Ihrer Organisation möglicherweise eher an festem Glauben in die Menschen, die dort arbeiten.

Ich bin mir sicher, dass Sie in Ihrem Unternehmen auch von Experimenten profitieren können. Starten Sie nicht mit dem gerade beschriebenen. Aber wenn Sie schon weiter sind und finden, dass Ihnen in Sachen Agilität nicht mehr viele was vormachen können, dann probieren Sie’s doch mal aus. Wie auch immer: Sie werden eine Menge lernen.



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Nie zuvor wurde die Unternehmenswelt so sehr von Cloud-Software und Spezialanbietern überrannt wie jetzt. Es gibt so viel Software, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Umso wichtiger ist es für die Zukunft von Unternehmen, einen Ort der digitalen Zusammenkunft zu haben. Einen verlässlichen Heimathafen, sinnvoll vernetzt mit den zahlreichen anderen Systemen. Eine Möglichkeit, sich einfach und schnell zu orientieren, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen und die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten.
Dieses Buch verrät Ihnen aus langjähriger Erfahrung heraus, wie das heute schon geht und welchen vermeintlichen Trends Sie lieber nicht folgen sollten.

Über den Autor

Martin Seibert war 17, als er das Softwareunternehmen Seibert Media gründete. 24 Jahre später hat es knapp 200 Mitarbeiter und macht 35 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Seine Begeisterung für Technologie teilt er seit vielen Jahren in YouTube-Videos – und jetzt auch in seinem neuen Buch über Social Intranets.


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Dieser Inhalt wurde zuletzt am 17.04.2020 aktualisiert.

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